Seelsorge ist Schwerpunkt an der Costa Blanca

Pastor Delp fährt jährlich 50.000 Kilometer durch die „größte deutsche Auslandskolonie der Welt“

Zuerst kamen sie nur der Sonne wegen. Tausende deutsche Ruheständler und Künstler entflohen dem unbeständigen, kalten deutschen Wetter und überwinterten in Spanien. Nicht wenige sind geblieben. Sie zogen junge Familien für ihre Dienstleistungen nach: Friseure, Schlachter, Bäcker, Fußpfleger, Altenpfleger und Lehrkräfte für die Kinder der „Dienstleister“. Spanien ist für sie zu einer neuen Heimat geworden. An der Costa Blanca – zwischen Valencia und Torrevieja bei Alicante – leben heute 200.000 Deutsche. Damit findet man in diesem sechshundert Kilometer langen Küstengebiet zwischen Costa Brava und Costa del Sol die größte Auslandszusammenballung von Deutschen in der Welt.

 

Die EKD hat sich rechtzeitig darauf eingestellt. Um den deutschen Evangelischen in der Ferne ein Stück Heimat zu bieten, wurde zunächst ein Reisepfarrer zur Betreuung entsandt. Doch seit den 70er Jahren gibt es für das „deutschsprachige, evangelische Pfarramt an der Costa Blanca“ eine feste Stelle. Die EKD zahlt unter anderem das Gehalt des Geistlichen.
 
Vor sechs Jahren hat Pastor Fritz Delp die geistliche Betreuung der Deutschen übernommen. Und seinen Vertrag gerade um drei Jahre verlängern lassen! Denn obwohl er mehr als 50.000 Kilometer pro Jahr im Auto zurücklegen muss, um Gottesdienste zu halten, Besuche zu machen und Gruppen zu leiten, macht ihm die Arbeit in Spanien große Freude. Die Seelsorge steht für ihn im Mittelpunkt. So ist seine Aufgabe an der Costa Blanca nur äußerlich eine ganz andere Tätigkeit als seine vorige für die Hessische Landeskirche in seiner Heimatgemeinde im Wetterau östlich von Frankfurt.
 
„Nachdem unsere Kinder eigenständig geworden waren, wollten meine Frau Melitta und ich noch einmal etwas anderes machen,“ erklärt uns Delp in einem Gespräch. Durch ein Vikariat in Athen habe er schon etwas Auslandserfahrung gesammelt. Er erkundigte sich damals, was denn im Ausland „angeboten“ würde und stieß auf die Ausschreibung des Pfarramtes Costa Blanca. „Wir hatten noch nie Urlaub in Spanien gemacht. Ich musste die Sprache erst lernen. Aber das war kein großes Problem.“
 
Vorgefunden hat der Pfarrer bei seiner Ankunft nur eine Grobstruktur. Also suchte er zunächst nach Menschen, die ihn unterstützen. Mit ihnen erstellte er Gottesdienstordnungen und richtete Gemeindegruppen in den verschiedenen Orten ein. „Immer wieder haben wir erfahren: es ist ein Wunder, was hier alles möglich ist, und ein Wunder, wie viele sich kirchlich engagieren.“ Die Gottesdienste seien sehr gut besucht. Die Touristen erfahren von den Veranstaltungen des Pfarramtes vorwiegend durch die hier erscheinenden Zeitungen. Regelmäßig sind Mitarbeiter aber auch auf den Märkten mit einem Informationsstand vertreten.
 
Kürzlich wurden Erhebungsbogen unter den Ansässigen verteilt. 400 Deutsche gaben an, sich dem Pfarramt verbunden zu fühlen. Wer Zeit hat, engagiert sich. Da treffen sich 20 Frauen und zwei Männer im Gemeindesaal des neuen Pfarrhauses im dörflichen Moraira zum stricken, nähen, häkeln und basteln. „Die Verkaufserlöse, zum Beispiel auf den Ostermärkten, liegen zwischen 6000 und 10000 Euro und tragen wesentlich dazu bei, dass das evangelische Pfarramt fast auf eigenen Füssen stehen kann“, berichtet der Seelsorger. Zudem sei es ein Stück Öffentlichkeitsarbeit.
 
Auch die Gottesdienste kann der Pfarrer in dem großen Einzugsgebiet nicht allein halten. Fünf Prädikantinnen und Prädikanten stehen ihm zur Seite. Und seit einiger Zeit wird er auch von einem Ruheständler mit einer halben Stelle für acht Monate unterstützt. Pfarrer Hans Hiller kennt die Probleme der Auswanderer von seiner Tätigkeit auf Gran Canaria her.

Predigtstellen sind oftmals Seniorenresidenzen, wie Montebello in La Nucia und Villa Augusto in Guardamar. Vierzehntätig wird auch in Denia, in der von österreichischen Mönchen geleiteten Ermita Las Rotas Gottesdienst gehalten, alle zwei Monate mit Abendmahl. Dienstags abends treffen sich einmal im Monat Deutsche in der Deutschen Schule in Valencia zum Gottesdienst. Dorthin kommt jedoch vorwiegend ein Kreis deutscher Frauen, die mit Spaniern verheiratet sind. Jeder zweite Dienstag im Monat ist auch der Tag zur Verkündigung von Gottes Wort in Moraira, mit sich anschließendem gemütlichem Beisammensein.

 „Zahlreiche Senioren, die sich hier für immer niederlassen wollten, gehen dann nach Deutschland zurück, wenn sie pflegebedürftig werden,“ sagt Delp. Einige bleiben auch nur von September bis April an der Costa Blanca – im Sommer kommen dann dafür ihre Kinder und wohnen in den von den Eltern und Großeltern gekauften Häusern. Wer nicht zurück kann, findet Aufnahme in den deutschen Seniorenresidenzen. Allerdings zahlt die deutsche Pflegeversicherung die Kosten erst ab der Pflegestufe III.

Junge und ältere Deutsche geraten in Spanien in Not und benötigen Hilfe. Nach Schätzungen des Pfarrers gehören rund 15.000 der hier lebende Deutschen zu den soziale Brennpunktfällen. Manche haben keine Krankenversicherung abgeschlossen. Ihnen seelsorgerlich und sozial beizustehen, ist eine umfangreiche Aufgabe. Ein reger Besuchsdienst nimmt ehrenamtlich den diakonischen Auftrag für Menschen in Not wahr. Sie gehen in die Krankenhäuser und Gefängnisse.

Neben Gottesdiensten werden aber auch biblische Gesprächskreise, Seniorennachmittage und Spielnachmittage in einem Café in Javea angeboten. Natürlich gibt es auch Gemeindefeste und die ökumenischen Himmelfahrtsfeiern im Dörfchen Pinos. Beim Konfirmandenunterricht ist Elternengagement gefragt, denn die Konfirmanden werden einmal im Monat einen ganzen Samstag im Moraira unterrichtet und müssen nach dort gebracht werden. Ohne Eltern geht es auch bei den Kindergottesdiensten in Moraira nicht. Dazu kommen manchmal mehr Eltern als Kinder. Junge Familien wünschen sich jedoch auch Kindergottesdienste in Valencia und Alicante – doch das ist personell nicht machbar.

Im Raum Alicante, in dem das Pfarramt keine Gottesdienste anbietet, hat nun die Prädikantin Renate Schwarzer, Mitglied der rheinischen Landeskirche, eine lobenswerte Initiative ergriffen. Sie begann im vergangenen Jahr, in der Salisianerklosterkirche in Campello-Alicante einmal im Monat an einem Samstag Vormittag Musikgottesdienste mit modernen Kirchenliedern zu gestalten. Sie freute sich, dass der Bischof von Alicante ihr als Frau, noch dazu einer evangelischen, die Genehmigung zur Miete der Kirche erteilt hatte. Beim ersten Gottesdienst sagte ein spanischer Vater in gebrochenem Deutsch: „Ich heiße Jesus, aber bei Ihnen war Jesus wirklich zur Gast und das nicht nur, weil ich da war!“ Dass sich die Gottesdienstbesucher angesprochen fühlen, zeigt auch die Kollekte, die höher ausfällt, als es für die Mietkosten erforderlich ist.  
Unter dem Motto "Menschen für Jesus Christus" führt Renate Schwarzer nun auch in diesem Jahr diese musikalische Gottesdienstreihe zusammen mit ihrem Mann, einem katholischen praktizierenden Christen, weiter. Schwarzers sind dabei, eine christliche Gemeinschaft zu gründen, um an der Costa Blanca im Gegensatz zu Vereinen und den zahlreichen Clubs ein Forum zu bieten für Menschen, die auf christlicher Basis ökumenische Gemeinschaft erleben wollen. Ebenso gestalten sie zahlreiche Gottesdienste in der katholischen deutschsprachigen sowie auch katholisch spanischen Kirche.

Ilsemarie Straub-Klein

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