Gottesdienst mit Volkstanz
                                                                                             
In der schwedischen Provinz Dalarna wird Sommersonnenwende fröhlich gefeiert

Die Sommerferien beginnen in Mittel- und Nordschweden schon vor Mittsommer. Die Wochen um den 22. Juni mit ihren hellen Nächten nutzen die Schweden zum ausgiebigen Feiern im Freien. Besonders in der Provinz Dalarna, der Heimat der hölzernen, bemalten Pferde, hat sich ein Brauchtum bewahrt, das nicht wegen der Fremden gepflegt wird. Die Eigenart der Landschaft wurde vor rund 360 Millionen Jahren von einem der größten Meteoriteneinschlägen der Erde geprägt. In diesem Krater bildete sich nicht nur der Siljansee, sondern auch die Umgebung zeigt noch mit vielen, kleinen Seen Spuren dieses gewaltigen Naturereignisses. Die Wikinger gaben dem Siljansee den Namen „Silgium“ - das bedeutet in der altnordischen Sprache soviel wie „großes, weites Wasser“.

Jedes der vier Städtchen um den 60 Kilometer langen Siljansee hat zwischen Mitte Mai und Ende August einen prallvollen Terminkalender. Die meisten Aktivitäten spielen sich auf den Freigeländen der Dorfmuseen ab. Fast jeder noch so kleine Ort pflegt die Sammlung alter Bauernhäuser und Nebengelasse. Im Sommer wiedet hier Kleinvieh wie in früheren Zeiten, und die Besucher können die landwirtschaftlichen Produkte probieren. Zum Mittsommerfest aber wird in der Mitte die mit einer Girlande geschmückte „Maistange“ errichtet. Dieser ursprünglich bayerische Brauch ist in Dalarna seit Jahrhunderten zur Tradition geworden. Die Bewohner von Leksand, Rättvik, Mora und Orsa feiern ihren Mittsommer mit viel Tanz und Musik - und die meisten kommen für Wochen aus ihrer farbenfrohen Tracht nicht heraus.
Was bei uns die Posaunenchöre, sind in Rättvik die Geigenorchester. Jeder zweite Rättviker erlernt heute noch das traditionelle Fiedeln. Geht man morgens zum See, stößt man bestimmt auf ein paar Jugendliche, die sich spontan zum Geigen zusammenfinden. Die Luft ist beim farbenprächtigen Festumzug durch Rättvik am Mittsommervorabend ebenso von Fiedelklängen erfüllt wie beim Tanz auf der Tenne, beim Kirchenkonzert und beim Freiluftgottesdienst.

Das Mittsommerfest beginnt in Rättvik mit dem traditionellen Kirchbootrudern über den See. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ruderten die Bewohner der entlegenen Orte über den See zum Gottesdienst nach Rättvik. Eines der historischen Boote ist noch im nordischen Museum zu sehen. Im Jahr 1941 kaufte Rättviks Heimatdorfvereinigung das erste Kirchboot ein - heute gibt es wieder sechs. Damit rudern die Traditionsbewußten nicht nur zum Sonntagsgottesdienst, sondern veranstalten auch Schnelligkeitswettbewerbe über den Siljansee.

Andere Gottesdienstbesucher ritten früher zu Pferde zur Rättviker Kirche. Rund um die Kirche sind noch rund 90 Pferdeställe aus dem 16. Und 17. Jahrhundert erhalten, in denen während des Gottesdienstes die Pferde untergestellt wurden. Heutzutage werden sie nur noch zur Weihnachtszeit benutzt. Der älteste Teil der weißen Rättviker Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert. Jeden Sonntag um elf Uhr singt der Kirchenchor in der Dalarna -Tracht, begleitet vom Geigenorchester. Doch zur Mittsommerfest würde die Kirche die Vielzahl der Besucher gar nicht fassen. Deshalb wird - egal wie das Wetter ist- für diesen Tag ein Freiluftgottesdienst auf der großen Wiese des angrenzenden Stiftsgartens am Siljansee angesetzt.

Nach dem Einmarsch der kirchlichen Würdenträger folgen Chor, Orchester und Tänzer. Für Besucher aus Deutschland ist es ungewöhnlich, daß zum Kirchenliedergesang Volkstänze getanzt werden. Doch der Mittsommertagsgottesdienst steht unter dem Thema „Tritt ein in Gottes schöne Welt mit Tanzen“. Nach dem Abendmahl können die Besucher noch an einem gemeinsamen Mittagessen teilnehmen.

An der Zubereitung mitgeholfen haben zwölf männliche und weibliche Jugendliche aus Europa und Amerika, die für ein Jahr auf au-pair-Basis in dem christlichen Meditationshaus Stiftsgarten Dienst tun. Diese begehrten Plätze sind meistens ein Jahr vorher ausgebucht.

Der Reiz dieser ungewöhnlich schönen Landschaft erfüllt die Bewohner mit Stolz. Abend um elf  taucht die Sonne die zahlreichen Wolken in ein faszinierendes Orange. Die Kirche spiegelt sich im See. Man muß ein gewaltiges Stück in den Siljansee hineinlaufen, bevor man schwimmen kann. Wenn das Wasser nur nicht so kalt wäre...   

Ilsemarie Straub-Klein

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