Viele Ehrenamtliche sind die starken Säulen der Gemeinde

Seit vielen Jahren hält Ilse Everlien Berardo Gottesdienste auf Madeira 

Sonntag Nachmittag in Funchal. Auf der Blumeninsel Madeira sonnen sich Einheimische und Touristen in den zahlreichen Parks, in denen zu jeder Jahreszeit  Sträucher blühen. Einige baden auch im Meer. Wer unterbricht da schon seine Siesta, um zum Gottesdienst zu gehen? Wird die Theologin Ilse Everlien Berardo nicht an einem solchen Tag vor leeren Bänken predigen?

Als die aus der Ukraine stammende Organistin kurz vor 16 Uhr mit dem Vorspiel beginnt, füllt sich die kleine schottische Kirche am Jardim Municipal. Rund 60 Deutschsprachige jeden Alters sind heute zum vierzehntägigen Gottesdienst gekommen. 32 eingeschriebene Mitglieder hat die deutsche evangelische Gemeinde von Madeira. Diese leben ständig auf der zu Portugal gehörenden Atlantikinsel und zahlen 50 Euro Kirchenbeitrag. Die anderen Kirchgänger sind Touristen – einige verbringen jedes Jahr hier einige Monate. 

„Wir treffen uns anschließend an den Abendmahlsgottesdienst noch im Gemeindehaus zum Kirchenkaffee“, gibt die Theologin bekannt und betont ausdrücklich, dass hier jeder willkommen sei, gleich welcher Konfession. Die Zusammenkunft sei auch Teil des Gottesdienstes, fügt sie hinzu. Und zu der Stunde der Begegnung kommen dann auch fast alle noch in den Saal hinter der Kirche. Die „Residenten“ haben Kuchen, Keks und Getränke mitgebracht. Teller und Tassen reichen längst nicht alle. Einheimische und Touristen rücken zusammen und tauschen Erfahrungen aus. Die Neuen stellen immer wieder die gleichen Fragen. 

Deshalb erzählt Ilse Everlien Berardo auch lieber gleich im Plenum die Entstehungsgeschichte der Gemeinde. Die kleine Kirche ist vor 155 Jahren von einem schottischen Presbyter gegründet worden. Inzwischen wird hier aber kein Gottesdienst in  englischer Sprache mehr gehalten: die rund 90 portugiesischen Evangelischen halten ihre Gottesdienste zweimal monatlich in ihrer Muttersprache ab. Und stellen ihr Gotteshaus auch den Deutschen zur Verfügung.  

Die ersten Gottesdienste in deutscher Sprache wurden 1934 auf Madeira gehalten. Die jetzt 80jährige ehemalige deutsche Konsulin Elisabeth Gesche wurde hier 1939 konfirmiert – und hat stets zu den zu den treuesten, fördernden Gemeindegliedern gehört. Auch heute ist sie gekommen und freut sich über einen musikalischen Geburtstagsgruss. Einen festen Seelsorger hatte die Gemeinde jedoch früher nie. Dazu reichten die Zahlen nicht aus. Meistens wurde die Gemeinde vom rund tausend Kilometer entfernten Festland aus betreut.  

Auch die Theologiestudentin Ilse aus der braunschweigischen Landeskirche verbrachte ihren Urlaub auf Madeira. Eine Ferienreise, die ihr Leben in andere Bahnen, lenken sollte, als von ihr geplant. Hier lernte sie nämlich den Mann ihres Lebens kennen. Nach dem ersten Examen heirateten sie – und seit dieser Zeit lebt Ilse Everlien Berardo dort, wo andere Urlaub  machen. Ihre Kinder sind 21, 15 und acht Jahre alt. 

Vor 18 Jahren hielt die Theologin ihre ersten Gottesdienste auf Madeira. Und seit dieser Zeit gilt sie mit Zustimmung des Außenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als Seelsorgerin der deutschen Evangelischen auf Madeira. Ehrenamtlich natürlich – und ohne Bezahlung. Wie viele andere Gemeindeglieder auch, die die starken Säulen der Diaspora-Gemeinde sind! Denn eine hauptamtliche Pfarrstelle wird hier niemals eingerichtet werden. Madeira ist eine der Außenstellen des Auslandspfarramtes für Portugal. Der hauptamtliche deutsche Pastor wohnt in Lissabon und kommt mehrmals im Jahr nach Madeira. Und reist stets beruhigt wieder ab. Denn er weiß, dass das Gemeindeleben auf der 741     Quadratkilometer großen Insel auch ohne seine Anwesenheit als Selbstläufer ausgezeichnet funktioniert. 

Das zarte Pflänzchen Ökumene beginnt auch auf Madeira Wurzeln zu schlagen. Die deutsche Gemeinde hatte gerade zu einem Gottesdienst eingeladen. „Unsere Theologin hat dabei eine sehr gute Figur gemacht“, sagt eine auf Madeira lebende Frankfurterin. „Dreimal besser als manche Ordinierten!“      

Für Ilse Everlien Berardo kommt nach eigenen Aussagen die Familien an erster Stelle. Aber sie ist stets für alle anderen Menschen da, wenn diese ihre Hilfe benötigen. In den Touristenhochburgen wird durch Handzettel zu den Gottesdiensten eingeladen. Dabei geht Berardo flexibel vor: auf die Belange der Gemeindeglieder wird weitgehend Rücksicht genommen und Gottesdienste wunschgemäß auch mal auf passendere Termine verlegt. Die Konfirmanden fasst sie in mehreren Jahrgängen zusammen. 

Die hier wohnenden Deutschen kennen sich untereinander – auch wenn sie nicht am gleichen Ort wohnen. Ein Großteil der Frauen haben hier ihre Ehemänner kennen gelernt und die Zelte daheim abgebrochen. Auch eine ehemalige Touristin gehört zur Gemeinde, die nach mehrmaligen Madeiraaufenthalten den Receptionisten ihres Ferienhotels geheiratet hat. Der Portugiese gehört inzwischen zu den wenigen männlichen Gemeindegliedern – aber zu den zuverlässigsten ehrenamtlichen Mitarbeitern.  

Die Theologin wird immer wieder in der ersten Euphorie von deutschen Urlaubern gefragt, ob sie ihnen empfehlen kann, Madeira als ständigen Altersruhesitz zu wählen. Ilse Berardo ist da eher skeptisch: „Madeira ist nicht Mallorca oder die Algarve. Hier sollte man zumindest gut Englisch und passabel Portugiesisch sprechen. Und das Sozialsystem hat gegenüber Deutschland große Lücken und Mängel“. Einige Gemeindeglieder aber haben schon ihren Wohnsitz zeitweise auf der Atlantikinsel genommen und kehren im August und September, wenn auf Madeira hohe Luftfeuchtigkeit herrscht und keine Gottesdienste stattfinden, nach Deutschland zurück. Wie zum Beispiel das Gastwirtsehepaar, das im Sommer ihr Lokal auf Sylt betreibt und dann während des deutschen Winters in ihrem Domizil auf Madeira Sonne tanken kann. 

Ilsemarie Straub-Klein   

Infos: Theologin Ilse Everlien Berardo, Rua Dr. Pita 29, P 9000-089 Funchal, Telefon 00351-291-765-913, Email: Ev.KircheMadeira@netmadeira.com

Eigene Homepage, kostenlos erstellt mit Web-Gear

Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der Autor dieser Webseite. Verstoß anzeigen