Auch in der Kirche ist man in Rio nicht sicher

Deutscher Gemeindepastor hält Gottesdienste oft in portugiesisch 

Wenn sonntags die Gemeinde in der Martin-Luther-Kirche im Zentrum von Rio de Janeiro zum Gottesdienst versammelt ist, schließt Pastor Dorival Ristoff nicht nur die Kirchentür fest zu. Er verriegelt auch von innen das schmiedeeiserne Gitter vor dem Gebäude. Nur so sind die Gemeindeglieder vor unliebsamen Eindringlingen sicher und können sich auf Gottes Wort konzentrieren. Denn in Rio ist man sogar in Kirchen vor Überfällen nicht gefeit. 

Das wundert die Besucher aus Deutschland. Doch Ristoff klärt über die Notwendigkeit dieser Maßnahmen bei allen Veranstaltungen der deutschen Gemeinde auf. „Vor vier Jahren kamen fünf uns unbekannte junge Männer in den Gottesdienst und baten darum, dass wir für einen Freund beten. Als die Kollekte eingesammelt werden sollte, bedrohten sie die Besucher mit Waffen, zwangen sie, sich auf den Boden zu legen und ihnen Geld abzuliefern. “ Die Männer hätten sich bei allen entschuldigt und beteuert, dass nur pure Not sie zu dem Überfall treibe. Glücklicherweise sei es der Organistin gelungen, durch eine andere Tür auf die Strasse zu entkommen und über ihr Handy die Polizei zu alarmieren.  

Seit dieser Zeit werden Kirche und kirchliche Räume zu allen Veranstaltungen verriegelt. Aber dennoch reißen die Diebstähle nicht ab. Der Pastor deutet auf ein kleines zerschlagenes Fenster. „Hier muss kürzlich ein Kind durchgeklettert sein, um für Hehler meine wertvolle Gitarre aus dem Kirchenraum zu stehlen.“ Darüber ist Ristoff enttäuscht. Denn seine Gemeindeglieder und er sind in den einschlägigen Milieus dafür bekannt, dass sie sich für die Armen der Ärmsten einsetzen. Erlöse der wöchentlichen Flohmärkte, bei denen zum Beispiel auch gespendete Computer angeboten werden, kommen Bedürftigen zugute. Jeden Montag Nachmittag handarbeiten Frauen für die Wohltätigkeitsbasare der Gemeinde. 

Mit der großen Einwanderungswelle kamen 1824 die ersten Deutschen nach Brasilien. Doch bis 1889 war es verboten, deutschsprachige, evangelische Gottesdienste in Rio zu halten. Ihre Kirche – neben der heutigen modernen Kathedrale – brannte 1925 ab. Drei Jahre später bezog die Gemeinde dann das Gebäude der heutigen Kirche in der Rua Carlos Sampaio. 450 Familie zählt die Gemeinde – hinzu kommen noch rund 600 Sympathisanten. Die meisten sind Nachkommen deutscher oder Schweizer Einwanderer. „Sie verstehen zwar noch deutsch – aber mit deutsch allein kommen wir in der Gemeinde längst nicht mehr aus,“ sagt Ristoff. So werden alle Sonntagsgottesdienste um 10.30 Uhr in portugiesischer Sprache gehalten, und zweimal im Monat predigt Ristoff um 9.30 Uhr deutsch. Besonders beeindruckend seien immer die zweisprachigen Weihnachtsgottesdienste. „Stille Nacht“ rühre auch diejenigen Gemeindeangehörigen, die der deutschen Sprache sind mächtig seien. 

Dorival Ristoffs Familie ist in der siebten Generation deutschstämmig. Doch daheim in Puerto Alegre wurde Deutsch nicht mehr gepflegt. Er studierte Theologie und Musik und beschäftigte sich selbst mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Eines Tages bewarb er sich in Deutschland um eine Austauschpfarramtsstelle. Nach einer Absage in Bückeburg wurde Ristoff für sieben Jahre Pastor einer Gemeinde in Frankfurt. Während dieser Zeit pflegte er intensiven Kontakt mit dem Amtsbruder und Kirchenliederschreiber Dieter Trautwein. Zurück in Brasilien überließ ihm das Außenamt der EKD gern die gerade vakante deutsche Gemeinde in Rio. Denn schließlich brauchte er keine mühsame Anlaufzeit, wie seine Vorgänger aus Deutschland, die für sechs Jahre abgeordnet waren. Nur wenige blieben dort für längere Zeit hängen.       

Der brasilianische deutsch sprechende Pastor hat es geschafft, seine Gemeinde zu einem geistlich-musikalischen Mittelpunkt Rios auszubauen. „Wir haben die beste Orgel vom gesamten Bundesland Rio“, sagt Ristoff stolz. Zu den regelmäßigen Konzerten mit europäischer Musik kommen namhafte Organisten. Und der Kirchenchor „Martin Luther“ ist natürlich international und ökumenisch zusammengesetzt. Mit seiner Kirchenband „Terra sem males“ spielte Dorival Ristoff bereits auf dem hannoverschen Kirchentag Samba, Bossa Nova und Tango. Schon jetzt studiert die Gruppe ein Lied des Pastors für den nächsten Kirchentag in Köln ein. „Wir werden es demnächst aufnehmen und dem Komitee einreichen. Vielleicht wird es ja ins Kirchentagsliederheft aufgenommen.“     

Konfirmandenunterricht in Rio ist auch nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. Zwölf Jugendliche möchten zwar im Oktober konfirmiert werden – die regelmäßige Teilnahme am Samstagsunterricht ist jedoch wegen der großen Entfernungen schwierig. Pastor Ristoff trägt es mit Fassung. „Neulich kam nur ein Junge – den habe ich dann natürlich auch unterrichtet“, sagt er. Jeden zweiten Sonntag im Monat ist Jugendtreff, zweimal im Monat auch Kindergottesdienst. An jedem vierten Sonntag wird im Gottesdienst für alle Geburtstagskinder gebetet. „Und sollte es einen fünften Sonntag im Monat geben, dann feiern wir Gemeindefest mit gemeinsamem Essen. An manchen Sonntagen finden auch nachmittags Freiluftgottesdienste statt.“ 

Besucher aus Deutschland werden in der Gemeinde gern gesehen. Auch über die drei deutschen Schulen – deren Direktoren alle lutherisch sind – können die deutschstämmigen Gemeindeglieder, die längst Brasilianer sind, sich immer wieder an ihre Wurzeln erinnern. 

Ilsemarie Straub-Klein 

Info: Gemeinde Martin Luther in Rio de Janeiro-Centro, Pastor Dorival Ristoff, Telefon von Deutschland aus: 0055/21 2232-8548 oder 2242 4889, www.celurj.org.br, email: centro@celurj.org.br

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